Gut, die armen irren Ruhrpöttler, die schon von der Rückkehr nach Europa träumen, sind erst mal wieder eingebremst. BVB, Potenzial für Platz sieben. Mehr iss nicht.
Und heute nachmittag? Werder gewinnt. Glaube ich, oder besser gesagt: hoffe ich.
...dass wir uns in der 5-Jahres-Wertung der Uefa demnächst sogar von Rumänien überholen lassen müssen, wenn wir uns in den entsprechenden Wettbewerben von Mannschaften vertreten lassen müssen, die wiederum von Friedhelm Funkel trainiert werden. Oder von Michael Skibbe.
...normalisiert sich. Wie es zu erwarten war. Vorne allmählich diejenigen, die nominell über die stärksten Teams verfügen und dort auch hingehören.
Die Geschichte mit dem HSV nimmt inzwischen allerdings desaströse Züge an. Nicht nur, dass die nix mehr gewinnen, die spielen inzwischen auch richtig unansehnlich. Woran sich einmal mehr wunderbar zeigt, dass eine Ansammlung guter Einzelspieler eben doch noch keine gute Mannschaft ausmacht.
Auf den Straßen war der Teufel los, Studenten protestierten gegen das Establishment. Bundeskanzler Kiesinger und sein Vize Willy Brandt lavierten sich durch die Große Koalition. In Vietnam mussten die Amerikaner einsehen, dass nicht jeder Krieg kraft militärischer Übermacht zu gewinnen ist. (hübsche Paralellen übrigens zu heute, Große Koalition und die USA im Krieg). Die Beatles gingen auf Indien-Trip, das Fernsehen machte sich bereit dazu, künftig farbig über die Bildschirme zu flimmern.
Und Alemannia Aachen war Tabellenführer in der Bundesliga. Damals, 1968.
Danach wurden Willy Brandt, Helmut Schmidt, Helmut Kohl, Gerhard Schröder und Angela Merkel Kanzler. Die protestierenden Studenten wurden zu einer ergrauten und häufig belächelten Generation, die USA zogen sich aus Vietnam zurück, erlebten Nixon, Ford, Carter, Reagan, zwei Bushis und Billyboy Clinton und marschierten dann wieder ein (in den Irak), von den Beatles leben nur noch zwei - und Fernsehen, nunja...it´s the end of the world as we know it.
Und Alemannia Aachen ist wieder mal Tabellenführer in der Bundesliga, heute, 2006.
Und auch wenn´s mutmaßlich nur für einen Tag ist: Tausendmal besser als die elende Hertha, und dann macht auch das Kolumnenschreiben gleich wieder mehr Spaß.
...und weil es Leute geben soll, die das bis heute noch nicht gesehen haben und sich darüber wegwerfen werden und weil es Zeug zum absoluten Klassiker hat - darf diese Nummer hier keineswegs fehlen!!
Länderspiel, das hieß damals in den 70ern: Fußbalklamotten anziehen (so wie heute die Trikots), vor den Fernseher setzen, dem Zeremoniell in schwarz-weiß zuschauen. 11 Jungs mit meistens langen Haaren und komischen Koteletten in streng schwarzweißen Trikots, die Stutzen hochgezogen, das Hemd in der Hose. Rückennummern: 1 bis 11. Namen hinten drauf? Quatsch. Wusste man ja auch so. Mit der 1 Maier, 2 Vogts, 3 Breitner, 4 Schwarzenbeck, 5 Beckenbauer...bis hin zur 9 (Müller), 10 (Netzer), 11 (Heynckes).
Dann die Hymne auf dem schwarzweißen Fernseher, dann die ersten Spielzüge mit dem streng schwarzweiß getupften Ball - und dann meistens eine kleine Demütigung des Gegners. Fußball für das kommende Jahrtausend, schrieben die Experten damals über die Europameistermannschaft von 1972. Kapierte ich natürlich damals so noch nicht, aber ich formulierte mein erstes Fußball-Naturgesetz: Deutschland gewinnt. Immer. Was insofern logisch war, weil es ja nirgends auf der Welt einen besseren Torwart gab als Maier, einen besseren Libero als Beckenbauer, einen besseren Mittelstürmer als Müller, einen besseren Verteidiger als Vo...naja,lassen wir die Kirche mal im Dorf.
Es hat viele Jahre gedauert, bis ich mich daran gewöhnte, dass diese Zeiten vorbei sind; dass wir zwar immer noch fast jedes Spiel gewinnen, uns aber keiner mehr so richtig lieb hat dafür. Briegel statt Beckenbauer, Dieter statt Uli Hoeneß, Hrubesch statt Heynckes, das ganze Team ein fleischgewordenes Förstertum, das war zwar erfolgreich, aber selten schön.
Und jetzt, im Post-WM-Rausch, nach dem Ende des Sommermärchens? Huch. Die Jungs sind gut, richtig gut. Musste lange zurückdenken, bis in die 70er, bis mir eine Epoche und Spiele einfielen, die mit einer ähnlichen Souveränität, Gelassenheit und Eleganz gewonnen wurden wie gestern gegen die Slowakei. Ziehe meinen Hut vor Jogis Jungs und verneige mich tiefstens.